Im Rahmen der Reihe „Wortklang“ stießen am Freitagabend in Greiz Lyrik und Musik aufeinander. Die Veranstaltung in der Greizer Kirche war dem Kirchenreformator Martin Luther gewidmet.
Bereits im zehnten Jahr trafen am vergangenen Freitag im Rahmen der Reihe „Wortklang“ Lyrik und Musik aufeinander. Die Stadtkirche Sankt Marien bot dabei den idealen Raum für eine Veranstaltung, die ausschließlich dem Kirchenreformator Martin Luther gewidmet war. Dass Martin Luther neben seinen Verdiensten um die Erneuerung der Kirche ein durchaus mit Widersprüchen behafteter Mensch gewesen sei, erklärte Wortklang-Mitinitiator Martin Straub vom Lese-Zeichen e.V. gleich zu Beginn des Abends. So offenbare der Reformator zum Beispiel in seinem Aufruf zur Niederschlagung der Aufständischen im Bauernkrieg ein eher düsteres Gesicht. Ganz im Sinne dieser Einschätzung sollte der sich in der Person des Theologen manifestierende Widerspruch dann auch zum Leitthema der Begegnung von Wort und Ton am Freitagabend in der Greizer Stadtkirche werden.
Die von Christine Hansmann — unter anderem langjährig als Opernsängerin am Deutschen Nationaltheater in Weimar tätig — gelesenen Luther-Texte wurden konfrontiert mit den vom Trio Choralconcert neu interpretierten Chorälen des Kirchenlehrers. Im Laufe des Abends gelang es den Künstlern, eine beinah seltsam anmutende Harmonie von Musik und Wort herauszuarbeiten. Luthers Sprache — hart, vehement, mitunter vulgär — brach sich ein ums andere Mal an der fast schon unglaubwürdigen Schönheit der Klänge, die von der Empore ins Kirchenschiff hinunter wehten. Karl Scharnweber (Orgel), Thomas Klemm (Saxophon und Flöte) und Wolfgang Schmiedt (Gitarre) spielten, als hätten sie durch die lutherschen Choräle einen Blick ins Himmelreich erhascht und wollten davon künden. Unterstützt von der Akustik des Kirchenraumes türmten sie Klangwolken auf. Musikalisch klang das mal nach Jazz, Kirchenmusik und einer ehemaligen Woodstock-Band.
Christine Hansmann wusste die teils meditierenden Zuhörer mit ihrer Lesung immer wieder in die Realität zurückzuholen. Anders als die Musik leugnen die Texte Luthers die Wirklichkeit nicht. Im Gegenteil — der Theologieprofessor zeichnete ein eher dunkles Bild vom Menschen und seiner Gesellschaft. Hansmann schaffte es, die Eindringlichkeit und Schärfe der lutherschen Sprache einzufangen und kontrapunktierte damit die in sich versunken wirkende Musik. Gerade wegen des sich so ergebenden und von den Mitwirkenden durch den Abend bewegten Widerspruchs von Klang und Wort ergab sich ein rundes Bild.
Leider stand bei der zehnten Auflage der von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, dem Lese-Zeichen e.V. und der Sparkasse Gera-Greiz in Kooperation mit der Greizer Bibliothek ausgerichteten Lesereihe auch das Verhältnis von Qualität des Dargebotenen und Anzahl der Zuschauer ganz im Zeichen des Widerspruchs. Nur rund 20 Menschen hatten sich in die Stadtkirche verirrt. Im Angesicht der Klasse von Musikern und Sprecherin eigentlich beschämend.
Christian Kießling
Ostthüringer Zeitung, 23.11.2015
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion