Sie liegen einfach gut in der Hand, die Bücher der neuen Reihe „quartus-Miniaturen“, fadengeheftet und sorgsam gestaltet, in einer Auflage von nur jeweils 333 Exemplaren. Und man kann nur wünschen, dass diese Reihe in E-Book-Zeiten noch manche Fortsetzung erfährt.
Schon Christine Hansmanns Titel „Dunkelkammer“ und eine damit gegebene existenzielle Situation sagt etwas über das poetische Programm. „Es gab Stille, und es gab die Dunkelheit. Und es gab dieses Zimmer mit den zugezogenen Vorhängen, das mir vertraut gewesen war und nun in Stummheit versank.“ Freilich diese „stille Kammer“, „nicht dem Bann des Tages verfallen“, mag auch an das Fotolabor erinnern, in dem sich unter besonderer Beleuchtung Bilder entwickeln. Aber es ist eben auch keine „stille Kammer, wo ihr des Tages Jammer verschlafen und vergessen sollt“, wie es im Abendlied von Eduard Claudius heißt, das in den Texten immer einmal aufklingt. Nein, der Jammer wird nicht verdrängt.
Christine Hansmann gibt in den sechzehn Stücken keine Erzählungen, man mag eher an Traumsequenzen denken, an ein „Leben hinter dem Leben“, in dem sich die äußere Welt, das alltägliche Leben in Bildern bricht. Der Reiz besteht darin, wie Christine Hansmann das Reale in dem Phantastischen aufhebt. Und damit kommen existenzielle Situationen auf ganz eigene Weise ins Bild. Die Ängste und Albträume, „jene Einbrüche des Schreckens“, die Sehnsucht nach Liebe, die Schmerzen einer Trennung, die Ängste vor Sprachlosigkeit. Da gibt es Erinnerungen an Kindheit und Jugend, da kommt Historisches und Politisches ganz unaufdringlich zur Sprache, wenn da an ein „Schweigen im Raum“ erinnert wird.
Natürlich ist der Grund dieser lyrischen Prosa die Erinnerung, oft an Kindheit und Jugend. Aber sie wird nicht zeitlichen Abläufen unterworfen und geht schon gar nicht darin auf, etwa Einsichten in einem Entwicklungsprozess zu formulieren. Wohl aber kommen die Konflikte zwischen Welt- und Ich-Zuständen zur Sprache, manchmal einem kommentierenden Gestus mehr als einer lyrischen Verdichtung vertrauend. „Es ist seltsam, daß geschieht, was geschieht und trotzdem persönliches Leben möglich ist.“
In den besten Stücken buchstabieren sich vor dem inneren Auge die Erinnerungsbilder, und der erzählende Gestus geht nun wirklich in eine lyrische Prosa über. In dieser Hinsicht ist der fünfte und neunte Abschnitt besonders gut gelungen. Was die Texte sympathisch macht, ist, dass sich Christine Hansmann nicht scheut, ihre ganz persönlichen Konflikte und Fragen zur Sprache zu bringen und damit zugleich dem Ganzen eine Offenheit zu geben, die den Leser auffordert, das Seine hinzu zu tun.
Dr. Martin Straub
Thüringische Landeszeitung, 5.4.2014
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion